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Fachkreis Zivilgesellschaftsforschung: Gesellschaft im Wandel verstehen – und gestalten

Veröffentlicht am 27.05.2025

Zwei Hände in Gartenhandschuhen halten ein kleines Pflänzchen, das behutsam in die Erde gepflanzt wird.
Foto: Canva

Am 22. Mai 2025 trafen sich Mitglieder unseres Fachkreises Zivilgesellschaftsforschung sowie Interessierte, um gemeinsam über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu diskutieren. Rund drei Mal im Jahr kommen hier Vertreter:innen aus Forschung, Zivilgesellschaft und Praxis zusammen, um sich über Erkenntnisse und Perspektiven auszutauschen.

Im Mittelpunkt standen dieses Mal zwei Impulse, die sich inhaltlich stark ergänzten: Inga Gertmann von More in Common gab Einblicke in aktuelle Forschungsergebnisse zur gesellschaftlichen Stimmungslage. Dr. Robert Jende von der anstiftung führte mit einer performativ-soziologischen Perspektive in die Frage ein, wie gesellschaftlicher Wandel möglich wird.

Gesellschaftliche Stimmung: Zukunftssorgen, Spaltungsempfinden, Wunsch nach Zugehörigkeit

Laut More in Common gehen 67 Prozent der Menschen in Deutschland davon aus, dass sich die gesellschaftliche Lage in den nächsten fünf Jahren verschlechtern wird. Seit 2018 erforscht die Organisation, was hinter dieser Wahrnehmung steckt – und was Menschen wirklich bewegt: Es werden Werte, Bedürfnisse, Emotionen und Einstellungen erfasst, um gesellschaftliche Dynamiken besser zu verstehen.

Einige zentrale Befunde:

  • Gesellschaftlicher Zynismus und Zukunftssorgen prägen das Bild.
  • Das Empfinden von Ungerechtigkeit und Spaltung nimmt seit Jahren zu – mittlerweile quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen.
  • Besonders das sogenannte „unsichtbare Drittel“ fühlt sich weder gehört noch vertreten. Der Wunsch nach Zugehörigkeit und Gesprächsfähigkeit ist groß.

Was lässt sich aus der Forschung ableiten?

More in Common identifiziert mehrere Ansatzpunkte, um diesen Herausforderungen konstruktiv zu begegnen:

  • Zugehörigkeit ermöglichen: Viele Menschen empfinden eine Diskrepanz – sie machen sich Sorgen, fühlen sich aber damit allein. Es braucht Angebote, die Zugehörigkeit stiften, ohne zu überfordern.
  • Gesprächsräume schaffen – alltagsnah und niedrigschwellig: Demokratie und Austausch entstehen oft nebenbei: bei alltäglichen Begegnungen, an vertrauten Orten, im Gespräch mit Menschen, denen man vertraut. Wichtig sind Formate, die leicht zugänglich, unverbindlich und offen gestaltet sind.
  • Zukunft gemeinsam gestalten: Menschen sehnen sich nach einem gerechten, sicheren, demokratischen Miteinander. Um dieses Ideal erfahrbar zu machen, braucht es lebensweltnahe Angebote, die Vertrauen stärken und Raum für Mitgestaltung bieten – orientiert an den Bedarfen, Perspektiven und Empfindungen der Menschen.

Ausführliche Informationen zu Forschung und Praxis von More in Common findest du online auf ihrer Website.

Wandel durch Praxis: Demokratie als Lebensform

Dr. Robert Jende von der anstiftung warf in seinem Impuls einen grundsätzlichen Blick auf gesellschaftlichen Wandel: Wie entsteht Veränderung – jenseits politischer Institutionen?

Sein Plädoyer: Demokratie ist mehr als eine Regierungsform – sie ist eine Lebensform. Sie entsteht dort, wo Menschen gemeinsam handeln, sich begegnen und Erfahrungen teilen. Besonders wichtig sind dabei die sogenannten vorpolitischen Räume – also Orte des Alltags, wie Nachbarschaftstreffs oder Gemeinschaftsgärten, an denen informell ausgehandelt wird, wie wir zusammenleben wollen.

Ein Beispiel: die Gemüseheld:innen in Frankfurt am Main. Hier gestalten Menschen nicht nur gemeinsam einen urbanen Garten – sie verändern auch ihre Umgebung und erleben, was es heißt, wirksam zu sein. Der Gemeinschaftsgarten wird so zum Ort demokratischer Aushandlung, an dem Teilhabe erfahrbar wird. Oder, wie es Dr. Robert Jende formuliert: „Man verändert den Acker – und damit die Wirklichkeit.“

Solche Initiativen zeigen: Wer selbst aktiv wird, erlebt Demokratie ganz praktisch – und im besten Fall gemeinsam mit anderen. Das stärkt nicht nur das Vertrauen, sondern eröffnet auch neue Perspektiven für gesellschaftliches Miteinander.

Eine ausführliche Einführung in diesen Denkansatz bietet Dr. Robert Jendes Publikation zur performativen Soziologie.

Du möchtest beim nächsten Fachkreis dabei sein? Dann schreib uns eine E-Mail an info@lnbe.berlin – wir freuen uns auf neue Gesichter, Perspektiven und Fragen.

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