top

Verpflichtende Regeln sind dringend notwendig

Veröffentlicht am 24.04.2024

Eine ältere Frau sitzt auf einer Parkbank und blättert durch eine Zeitung. Im Hintergrund ist ein See zu sehen.
Foto: Pixabay | Mircea Iancu

In Berlin soll noch in dieser Legislaturperiode ein verpflichtendes Altenhilfestrukturgesetz verabschiedet werden. Jens Uwe Meißner, Vorstandsmitglied des Sozialwerkes Berlin und Stellvertreter im Landesseniorenbeirat (LSBB), informiert über den aktuellen Stand der Arbeit am Gesetz.

von Eveline Harder, ehrenamtliche Redakteurin des Landesnetzwerks Bürgerengagement Berlin e.V.

2017 nahm der Landesseniorenbeirat (LSBB) Kontakt zu Jens Uwe Meißner als damaligen Sozialamtsleiter des Bezirks Treptow-Köpenick auf, um Projekte im Rahmen der Altenhilfe nach § 71 SGB XII abzuleiten. Das Problem ist, dass die „Altenhilfe“ (Bundesgesetz) – im Gegensatz zur Kinder- und Jugendhilfe – lediglich als Sollvorschrift im § 71 SGB XII geregelt ist. Dort heißt es: „Die Altenhilfe soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und ihre Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken.“

Die Notwendigkeit eines verpflichtenden Altenhilfestrukturgesetzes

In Berlin wird die Sollvorschrift im Zuge von Sparmaßnahmen immer als freiwillige Leistung ausgelegt. So wurden in den vergangenen Jahren in den Sozialämtern der Bezirke die Finanzen für Seniorenfreizeitstätten, für das ehrenamtliche Engagement von Sozialkommissionen und Zuwendungen für Seniorenorganisationen drastisch gekürzt, trotz einer steigenden Zahl von älteren Menschen 60 plus.

Jens Uwe Meißner hat deshalb dem Landesseniorenbeirat Berlin empfohlen, sich dafür einzusetzen, dass das Land Berlin ein verpflichtendes Altenhilfestrukturgesetz auf der Grundlage des § 71 SGB XII verabschiedet. Erfreulicherweise haben sowohl der LSBB als auch die derzeitige Koalition beschlossen, ein solches Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu schaffen.

Der Weg zum Gesetz „Gutes Leben im Alter“

Gerade durch die Beratungsangebote, aber auch die Verantwortung der Altenhilfe, in Notlagen Hilfe zu leisten, soll ein Beitrag zur Gewährung von Menschenrechten und zur Vermeidung von Demütigung älterer Menschen durch unwürdige Lebensbedingungen geleistet werden. Das Gesetz „Gutes Leben im Alter“ soll auf bezirklicher Ebene verlässliche Strukturen in allen Sozialräumen absichern bzw. aufbauen helfen, die wohlfahrtspluralistisch ausgerichtet sind, d.h., im Zusammenwirken der Zivilgesellschaft, der Selbsthilfe, der Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie der Professionellen gestaltet werden.

Der LSBB hat die Idee aufgegriffen und eine Experten-Runde geschaffen und im April 2023 einen Entwurf vorgelegt, wie ein Altenhilfestrukturgesetz aussehen könnte. Der über zwei Jahre stattgefundene Diskussions- und Erarbeitungsprozess wurde von Professor Dr. Thomas Klie geleitet, der den Gesetzentwurf dem LSBB, dem Abgeordnetenhaus und der Senatsverwaltung überreichte. Professor Klie ist bundesweit hoch anerkannt. Er hat an einem Engagementbericht der Bundesregierung leitend mitgearbeitet.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Da wieder Sparmaßnahmen im Land Berlin im Doppelhaushalt 2026/27 anstehen, ist es aus der Sicht des LSBB wichtig, dass das Gesetz schon möglichst 2025 verabschiedet wird und die entsprechenden Mehrausgaben für die Sozialämter im Haushalt 2026/27 veranschlagt werden. Aufgrund des demografischen Wandels ist die Zahl der Menschen über 60 Jahren in Berlin von jetzt 960.000 dann auf über eine Million gestiegen, sodass Anpassungen in diesem Bereich dringend notwendig sind. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in Düsseldorf und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen in Bonn unterstützen dieses Vorhaben.

In den Berliner Sozialämtern und in den Bezirken sind die Ausgaben für die Altenhilfe sehr unterschiedlich. Und es erscheint sinnvoll, die Ausgaben aufgrund eines verpflichtenden Altenhilfestrukturgesetzes im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift mit festgelegten Standards für Seniorenfreizeitstätten, der Sozialämter etc. zu regeln. Grundlage sollte jeweils der Anteil der Menschen 60 plus in einem Stadtteil/Sozialraum sein.

Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege hat für dieses Jahr Gesprächsrunden mit den Senioren-Organisationen geplant. Da sie mehrere Fachgutachten in Auftrag gegeben hat, will sie noch 2024 einen ersten Gesetzentwurf vorlegen. In März hat die Senatsverwaltung Expertenrunden einberufen, die den Ideenprozess begleiten sollen, der als Grundlage dienen soll für den von Professor Klie vorgelegten Gesetzentwurf.

Der LSBB bittet andere Organisationen um Unterstützung zur Entwicklung des Gesetzes und um entsprechende Veranstaltungsangebote. Zum Thema Einzelgespräche findet im Sozialwerk Berlin e.V., Humboldtstraße 12, 14193 Berlin, am 23. Mai 2024 eine Veranstaltung statt.

Die Berliner Sozialämter wollen keine Einzelansprüche akzeptieren. Professor Klie setzt sich am Beispiel Hamburg dafür ein, dass in einem Altenhilfestrukturgesetz auch der Rechtsanspruch auf Einzelfallleistungen bei besonderen Notlagen festgelegt werden. Die Berliner Sozialämter haben in den vergangenen Jahren so gut wie keine Einzelleistungen auf der Grundlage des § 71 SGB XII gewährt.

Newsletter

Möchtest Du stets auf dem Laufenden bleiben und keine Neuigkeit verpassen? Dann melde Dich für unseren Newsletter an.